Macht des Wortes

«The Pen is mightier than the sword!»

Edward Bulwer-Lytton (1803 – 1873)


«Die Feder ist mächtiger als das Schwert» — Diese Metapher wird meistens Bulwer-Lytton zugeschrieben, doch ist sie wohl schon so alt wie die  Sprache selbst, diese urmenschliche Fähigkeit.

In unserem abendländischen  Kulturraum waren es u.a. die Literaten der «Shakespeare»-Gruppe unter der Regie des Universaslgelehrten Francis Bacon (1561-1626),  die sich dieses Motto auf den Schild geschrieben hatten. Der Name «Shakespeare» verweist direkt auf die griechische Göttin der Weisheit: Pallas Athene, «The Spear Shaker». Sie wird mit einem Speer dargestellt, der einer riesigen Feder ähnelt, und ihr Motto lautet: «I shall shake the Spear of Light at the darkness of ignorance!»

Und genau darum ging es diesem Kreis von Literaten, die  unter der Aegide von Bacon die Verlogenheit, Falschheit und Unwissenheit, ja die menschlichen Schwächen allgemein, an den Pranger stellten. Doch nicht nur das: Sie führten ihren Zuschauern und Lesern auch hohe Ideale vor Augen, wahre Vorbilder edler Menschlichkeit.

Mehr zur verworrenen Geschichte rund um den wahren «Shakespeare» siehe u.a. in:  Francis Bacon — The Spear Shaker, von Helen H. Armstrong, Golden Gate Press San Francisco, 1985, (ISBN 0-96 16288-0-4).

Inzwischen liegen «Shakespeares» Zeiten Jahrhunderte zurück und ein neues Millenium hat die Weltbühne betreten. Doch sind die Shakespeare-Dramen — diese ethisch-moralischen Lehrstücke und Spiegelbilder menschlichen (Fehl-) Verhaltens — nach wie vor auf den Bühnen der Welt präsent und haben eine nachhaltige Wirkung.

Das ist kein Zufall: Das brisante Thema von der überlegenen Macht der Feder gegenüber dem Schwert ist und bleibt aktuell. Entscheidend ist, wie wir dieses Schwert einsetzen, und zu welchem Zweck. Worte sind zweischneidig: sie können konstruktiv oder destruktiv sein: beflügeln und erheben, oder aber lähnen und zerschmettern. Entsprechend gross ist die Verantwortung der Guilde der Journalisten, Publizisten und Autoren, ja der Schreibenden generell und somit von uns allen — für das, was wir durch unsere Worte im Anderen auslösen, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht.

In jedem Menschen steckt ein «Speer-Schüttler», so auch in Ihnen. Mit Hilfe der Sprache kann jeder von uns Licht ins Dunkel bringen, etwas Bahnbrechendes in Bewegung setzen, etwas Aufbauendes inszenieren. Wir haben die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erforschen und zu erklären, wissenschaftliche und gesellschaftliche Fragen zu erläutern oder Missstände aufzuzeigen. Wir haben die Gabe, unsere Mitmenschen durch einfühlsame, verständnisvolle Worte zu ermuntern oder ihn gar zum Lächeln zu bringen. Wir wählen, was wir durch Worte bewirken wollen. Wir haben die Wahl, uns der Wahrheitssuche zu verpflichten oder abzudriften und in den Sog der Verlogenheit zu geraten.

Ist es auch Ihnen ein Anliegen, dass wir als Schreibende unsere ethische Verantwortung wahrnehmen? Wenn ja, freue ich mich, von Ihnen zu hören.